Salonwagen Sal 4ü-39
Wagennummer: 10 213 [P] Bln
Im Jahr 1940 verließ der erste (reine) Salonwagen mit einer Länge über Puffer von 24,3 Metern die Werkshallen
bei Wegmann in Kassel. Und auch wenn sich in seinem Grundriß einige Ähnlichkeiten zum 800 mm kürzeren
10 209 Bln finden lassen, so weist der 10 213 Bln doch mehr als genug Besonderheiten auf, um unter den
Salonwagen als einzigartig zu gelten. Äußerlich dürfte dabei vor allem die unterschiedliche Gestaltung der
Fensteranordnung auf Gang- und Abteilseite ins Auge springen - anders als sonst üblich finden sich auf der Gangseite
gegenüber den Schlafräumen 1 und 2 sowie dem Bad keine 'Spiegelbilder' der dort verbauten Fenster. Anstatt dessen
wurden an dieser Stelle vier 1000 mm breite Fenster verbaut, was zur Folge hatte, daß der Wagen auf dieser
Fahrzeugseite einen deutlich 'unspektakuläreren' Eindruck hinterließ. Leider kann über die Gründe für
die Wahl dieser Fensteranordnung heute nur noch spekuliert werden.
Aber auch in Bezug auf die Inneneinrichtung findet sich das eine oder andere ungewöhnliche Detail. Ein guter Teil davon
ist auf die Wünsche des späteren Nutzers, Außenminister von Ribbentrop, zurückzuführen. So sollte der
erste Schlafraum möglichst groß ausfallen, da dieses Abteil auch für Besprechungen in kleinem Rahmen vorgesehen
war. Aber auch der zweite einbettige Schlafraum konnte mit einer kleinen Besonderheit aufwarten, war doch hier ein abdeckbares
Eckwaschbecken untergebracht, welches im Kontext der tatsächlich beschafften Reichsbahn- Salonwagen einmalig war.
Allerdings findet sich dieses Detail auch in den Entwürfen des aufgrund der Kriegsereignisse nicht fertiggestellten
10 211 Bln, dessen Grundrißpläne ursprünglich sogar als Vorlage für die Konstruktion des
10 213 Bln dienten (daher ergeben sich auch viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Wagen).
Ebenso bemerkenswert sind die klappbaren Waschbecken in den beiden zweibettigen Schlafräumen, welche in Verbindung mit der
geraden Abteiltrennwand notwendig geworden waren, ähnliche Lösungen finden sich nur noch bei den Gepäckwagen.
Sehr interessant ist zudem die Anordnung eines recht geräumigen Kofferraumes zwischen viertem Schlafraum und dem
Begleiterabteil. Grund hierfür war der in den übrigen Wagen recht knapp bemessene Platz für Gepäck. Um
allerdings die Zahl der Schlafplätze nicht unnötig zu reduzieren, erhielt das Abteil ebenfalls ein Bett, welches oben
im Raum angeordnet war. Als letzte Besonderheit läßt sich die ungewöhnliche Abtrennung des Seitenganges nennen,
die vermutlich mit der veränderten Fensteranordnung der Gangseite in Zusammenhang steht.
Als etwas holprig sollte sich die Beschaffung des Wagens gestalten. Ende 1938 erhielt das Reichsverkehrsministerium vom
Auswärtigen Amt eine Anfrage, ob für den Außenminister einerseits ein neuer Dienstwagen und andererseits auch
ein Beratungswagen beschafft werden könnten. Hierzu sah sich das RVM jedoch nicht in der Lage, da man zu diesem Zeitpunkt
ohnehin mit (zu) knappen Ressourcen zu kämpfen hatte. Allerdings zeigte man sich für eine Lösung offen, bei der
das AA sowohl die notwendigen Finanzmittel als auch das benötigte Stahlkontingent zur Verfügung stellen würde.
Mit diesem Vorschlag war das AA letztendlich einverstanden und so wurde Anfang 1939 der Bau der beiden Wagen
10 213 Bln und 10 254 Bln in Auftrag gegeben, aufgrund der starken Auslastung der Waggonfabriken vereinbarte
man einen Liefertermin Mitte Dezember 1939.
Mit Beginn des Krieges wurden allerdings alle Arbeiten am 10 213 Bln (nicht jedoch am 10 254 Bln)
eingestellt, ein Weiterbau hing vom positiven Votum Hermann Görings ab, der jedoch schon früher zu erkennen gegeben
hatte, daß er die Notwendigkeit zur Beschaffung der Wagen des AA nicht erkennen könne und so unterblieb der
Weiterbau vorerst. Erst nach mehrfacher Intervention Ribbentrops bei Göring wurde Anfang Dezember 1939 eine Wiederaufnahme
der Arbeiten erreicht.
Die Konstruktion der Bauart oblag der Waggonfabrik Wegmann & Co. aus Kassel, die den Wagen trotz des laufenden Kriegs Ende
März 1940 zur Ablieferung brachte.
Verwendung und Umbauten bis 1945
Der Wagen stand nach Lieferung dem Außenminister Joachim von Ribbentrop zur Verfügung, der bis dahin mit dem
10 201 Bln vorlieb nehmen mußte. In dieser Funktion wurde der 10 213 Bln anfangs in den Sonderzug
"Heinrich" eingestellt, jedoch sollte diese Episode nicht von langer Dauer sein, da noch 1940 der
eigenständige AA-Zug "Westfalen" gebildet wurde. In diesem Zug dürfte der 10 213 Bln aller
Wahrscheinlichkeit nach bis Kriegsende verblieben sein.
Ribbentrop hatte bereits vor dem Bau des Wagens auf eine gute Geräuschdämmung Wert gelegt, in diesem Zusammenhang
dürfte auch die Verwendung von stoffbespannten Wänden in den beiden einbettigen Schlafräumen zu sehen sein (auch
flossen während des Baus Erfahrungen ein, die man zuvor beim Einsatz des 10 208 Bln gewonnen hatte). Nichts
desto trotz konnte der 10 213 Bln die diesbezüglichen Erwartungen des Außenministers nicht erfüllen,
wobei offenbar insbesondere der Geräuschpegel im Salon Anlaß zur Kritik gab, was
mehrfache Überprüfungen und Verbesserungen an der Wagenkonstruktion nach sich zog. Dabei überprüfte man
im Salon u. a. auch die Möglichkeit zur Bespannung der Wände mit Stoff, allerdings ist unbekannt, ob eine solche
Änderung tatsächlich vorgenommen wurde. Analog zum 10 208 Bln folgten später weitere Maßnahmen
zur Geräuschdämpfung, so z. B. das Bespritzen der Radsätze mit Antivibrin, gleichzeitig wurde der
10 213 Bln auch mit in die Untersuchungen zur Verwendung von gummigefederten Radsätzen einbezogen.
Kaum Hinweise gibt es demgegenüber zu einer möglichen Umsetzung eines weiteren Anliegens Ribbentrops. Bereits in der
Planungsphase war der Wunsch geäußert worden, im Salon anstelle des Musikschranks einen Schreibtisch einbauen zu
lassen, allerdings sah man letztendlich von dieser Idee wieder ab. Nach der Lieferung des Wagens wurde dieser Wunsch nun erneut
vorgetragen, ein Anzeichen für die Durchführung dafür notwendiger Arbeiten ließ sich jedoch bislang nicht
finden.
Im Jahr 1941 beschaffte man schließlich für die Wagen 10 213 Bln und 10 254 Bln
Drehgestell-Sätze, die den Übergang auf russische Breitspur (1524 mm) ermöglichen sollten. Im Zuge dieser
Aktion erhielten mindestens noch vier Mitropa-Wagen (1122, 1123, 22061 und 22065) entsprechende Drehgestelle. Alle
Breitspur-Exemplare sind schließlich irgendwann nach 1945 verschrottet worden. Der 10 213 Bln wurde bei
Kriegsende in der us-amerikanischen Besatzungszone aufgefunden und daraufhin von der
US Army beschlagnahmt.
Am 21.12.1951 erfolgte die Rückgabe an die Deutsche Bundesbahn.
Weiterführende Links
Die Inneneinrichtung des Wagens (mit weiteren Bildern)
Übersichtsskizzen
Einsätze bei den Alliierten Streitkräften
Der Wagen 10 213 bei der Deutschen Bundesbahn
Zur Übersicht der heute noch vorhandenen Neubausalonwagen
Quellenangaben
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Technische Daten
Herstellerwerk |
Wegmann & Co., Kassel |
Baujahr |
1940 |
Beschafft auf Vertrag |
03.966 / 59.023 |
Beschaffung Breitspurdrehgestelle auf Vertrag |
03.966 / 59.030 |
Eigengewicht |
65,37 t |
Länge über Puffer |
24.300 mm |
Länge des Wagenkastens (mit Schürzen) |
24.000 mm |
Länge des Wagenkastens (ohne Schürzen) |
23.000 mm |
Drehzapfenabstand |
16.960 mm |
Größte Breite des Wagenkastens |
2.854 mm |
Wagenhöhe über Schienenoberkante |
3.979,5 mm |
Fußbodenhöhe über Schienenoberkante |
1.260 mm |
Drehgestellbauart |
Görlitz III schwer 4.Federung |
Drehgestellachsstand |
3.600 mm |
Generatorbauart |
Tatzlagergenerator ZOG 181 |
Bremsbauart |
Kksbr, Hnbr, Harl |
Heizungsbauart |
Whzdeö, Ofen |
Beleuchtung |
Elektrisch |
Schlußsignalhalter |
In Dachnischen versetzt |
Dachlüfter |
Kuckuckslüfter |
9 Stück |
Abteile |
Vorsalon |
1x |
Salon |
1x |
Abteile einbettig |
2x |
Mittelabort mit Badewanne |
1x |
Abteile zweibettig |
2x |
Kofferraum |
1x |
Wagenbegleiterraum |
1x |
Ofenraum |
1x |
Endabort |
1x |
Einstiegsraum |
1x |