Salonwagen Sal 4ü-38a
Wagennummer: 10 209 Bln
Nachdem der Deutschen Reichsbahn mit den Wagen 10 203 Bln bis 10 207 Bln und dem in Bau befindlichen
10 208 Bln demnächst insgesamt sechs Fahrzeuge mit weitgehend identischen Grundrissen zur Verfügung stehen
sollten, entstand 1938 bei der Firma Gebrüder Credé in Kassel-Niederzwehren unter der Nummer 10 209 Bln
ein Wagen mit einer leicht geänderter Abteilanordnung. Bei ihm wurde unter Verkleinerung des Vorsalons und dem Wegfall des
zweiten Mittelaborts genügend Platz für ein zusätzliches zweibettiges Abteil gewonnen, so daß nun statt
vier Begleitpersonen wieder derer sechs mitfahren konnten, wie es bereits bei den beiden 1934 gebauten 10 201 Bln und
10 202 Bln der Fall war. Interessant ist auch die Tatsache, daß der 10 209 Bln der einzige der
insgesamt zwölf gebauten Salonwagen ist, bei dem der zweite einbettige Schlafraum größer ausfällt, als der
erste. Ansonsten ähnelt die Anordnung von Begleiterraum, Ofenraum und Endabort den zuvor gelieferten Wagen.
Die genannten Änderungen gehen auf einen Wunsch von Rudolf Heß aus dem November 1937 zurück. Der ihm zu diesem
Zeitpunkt zur Verfügung stehende Salonwagen 10 204 Bln genügte seinen Bedürfnissen aufgrund zu weniger
Schlafplätze nicht ganz. Daher fragte Heß beim Reichsverkehrsministerium (RVM) an, ob man bei dem für ihn neu
zu bauenden Salonwagen noch einen anderen Grundriß festlegen könnte. Abgesehen von der Lage des neu hinzugekommenen
Abteils mit zwei Betten (ursprünglich zwischen Salon und dem ersten einbettigen Schlafraum vorgesehen) entsprach der
Vorschlag von Heß bereits weitestgehend der später tatsächlich ausgeführten Anordnung. Weitere damit
verbundene Forderungen von Heß waren ein Waschschrank im zweiten einbettigen Abteil (da der dazugehörige Waschraum
wegfiel), Rollo- oder Gummivorhänge im Bad, die Bedienung des Entlüfters in verschiedenen Stärken vom Bett aus
("wie im ersten Wagen Hitlers") und lichtdichte Vorhänge im ersten großen Schlafraum.
Später kamen noch einige Detailänderungen am Grundriß hinzu, bis schließlich die endgültige Form
gefunden war. Allerdings kann nicht (wie an anderer Stelle behauptet) davon gesprochen werden, daß Heß den Wagen
selbst entworfen hat. Dies würde die tatsächliche Lage völlig verkennen, vor allem wenn man bedenkt, daß
bei der Konstruktion aller neuen Salonwagen auf die Wünsche der späteren Nutzer eingegangen wurde (so z. B. auch
bei 10 205 Bln, 10 206 Bln, 10 213 Bln und 10 214 Bln).
Konstruktion und Bau oblagen, wie bereits oben erwähnt, der Waggonfabrik Gebrüder Credé aus
Kassel-Niederzwehren. Der 10 209 Bln verließ die Niederzwehrener Werkhallen im Laufe des Jahres 1938.
Verwendung und Umbauten bis 1945
Nach der Lieferung des Wagens stand er anfänglich (folgerichtig) Rudolf Heß - seines Zeichens Stellvertreter Hitlers
in der NSDAP und Reichsminister ohne Geschäftsbereich - zur Verfügung, allerdings ist wenig über die
unternommenen Fahrten bekannt. Teilweise ist der 10 209 Bln vermutlich als zweiter Salonwagen in den Sonderzug
Hitlers eingestellt worden, aber zu dieser Thematik fehlen leider genaue und überprüfbare Belege über das ob und
ggf. auch das wie. Daneben ist nicht ganz klar, ob der Wagen in solchen Fällen ebenfalls von Heß benutzt wurde.
Für die erste Zeit nach dem England-Flug von Heß im Mai 1941 fehlen Hinweise zu den Einsätzen, eventuell war
der Wagen seinerzeit freizügig verwendbar (also für verschiedene Personen unterwegs). Einer der wenigen bekannten
Einsätze fand im Oktober 1941 statt, als er Bestandteil des Zuges war, der den slowakischen Staatspräsident
Prälat Dr. Tiso zum Hauptquartier "Wolfsschanze" beförderte. Spätestens ab Mitte 1942 ist der
10 209 Bln dann des öfteren für den Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, im Einsatz (u. a.
während der Zeit des Umbaus seines Salonwagens 10 396 Bln). Dieses Intermezzo sollte bis Mitte 1943 andauern,
ehe der Wagen offenbar fest dem Leiter der Parteikanzlei (mit Befugnissen eines Ministers), Martin Bormann, zugewiesen wurde.
Bekannt sind in diesem Zusammenhang Einsätze (mindestens) bis November 1944.
Bei Kriegende befindet sich der Wagen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der amerikanischen Besatzungszone, wobei er als
"vollständig ausgeplündert" beschrieben wird, allerdings ist nicht klar, ob die Plünderungen bereits
vor oder erst nach der Kapitulation stattgefunden haben. Jedenfalls dürften bei diesen Aktionen neben der Polsterung und
sämtlichen Kleinteilen auch die (beweglichen) Möbelstücke ausgeräumt worden seien - übrigens ein
Zustand, den die Reichsbahn seinerzeit bei nicht wenigen Fahrzeugen zu beklagen hatte, wobei der 10 209 Bln bei den
Salonwagen die krasse Ausnahme darstellte, waren sie doch dafür in aller Regel zu gut bewacht.
Von den Besatzungsmächten wurde der 10 209 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht requiriert, wobei für diese
Entscheidung der beim Wagen vorgefundene Zustand keine ganz unwesentliche Rolle gespielt haben dürfte. Bis zu seinem Umbau
zum Gesellschaftswagen im Jahr 1952/53 blieb der 10 209 vermutlich in der US-Zone abgestellt.
Weiterführende Links
Die Inneneinrichtung des Wagens
Übersichtsskizze für Lieferzustand
Der Wagen 10 209 bei der Deutschen Bundesbahn
Quellenangaben
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Technische Daten
Herstellerwerk |
Gebrüder Credé, Kassel-Niederzw. |
Baujahr |
1938 |
Beschafft auf Vertrag |
03.966 / 59.011 |
Eigengewicht |
63,5 t |
Länge über Puffer |
23.500 mm |
Länge des Wagenkastens (mit Schürzen) |
23.200 mm |
Länge des Wagenkastens (ohne Schürzen) |
22.200 mm |
Drehzapfenabstand |
16.180 mm |
Größte Breite des Wagenkastens |
2.880 mm |
Wagenhöhe über Schienenoberkante |
3.980 mm |
Fußbodenhöhe über Schienenoberkante |
1.260 mm |
Drehgestellbauart |
Görlitz III schwer 4.Federung |
Drehgestellachsstand |
3.600 mm |
Generatorbauart |
Tatzlagergenerator ZOG 181 |
Bremsbauart |
Kksbr, Hnbr |
Heizungsbauart |
Whzde, Ofen |
Beleuchtung |
Elektrisch |
Schlußsignalhalter |
Aufgesetzt |
Dachlüfter |
Doppelte Wendlerlüfter |
8 Stück * |
Einfache Wendlerlüfter |
3 Stück * |
Abteile |
Vorsalon |
1x |
Salon |
1x |
Abteile einbettig |
2x |
Mittelabort mit Badewanne |
1x |
Abteile zweibettig |
3x |
Wagenbegleiterraum |
1x |
Ofenraum |
1x |
Endabort |
1x |
Einstiegsraum |
1x |
* Nicht ganz sicher - die Verteilung könnte auch 9 / 1 gewesen sein.